Sind wir alle Internet-Junkies?

Eine interessante Frage, finde ich, der es sich lohnt, ein wenig nachzugehen … Die Wikipedia beschreibt einen Junkie als “einen Menschen, der im fortgeschrittenen Stadium drogenabhängig ist”, räumt darüber hinaus aber auch ein, dass der Begriff heute auch im übertragenen Sinn für Hingabe bzw. Abhängigkeit von bestimmten Dingen benutzt wird.

So weit, so gut. Aber was macht einen Menschen erst zu einem Internet-Junkie? Wo ist die Grenze erreicht, dass man sagen kann, dass eine Person abhängig vom Netz ist? In diesem Zusammenhang hat ein deutscher Student einen interessanten Selbstversuch unternommen: Eine Woche komplett ohne Mails, ohne Internet bzw. ohne Computer auszukommen, war sein Ziel. Auf GMX ist dazu ein ganz nett zu lesender Artikel erschienen, wie er diese Woche erlebt hat. Sein Fazit? Ich zitiere aus dem Schlusswort:

Vor einer Woche hatte ich mir zwei Fragen gestellt: Kann ich auf das Internet verzichten? Oder kommt meine Generation nicht mehr ohne den Dauerdraht ins Web aus?

Die Antworten: Ja. Und ja.

Sollte uns so etwas nachdenklich stimmen? Ich meine ja. Je abhängiger wir uns selbst von einer bestimmten Technologie machen, desto mehr trifft uns der plötzliche Verlust derselben, egal, ob gewollt oder ungewollt. Wir sitzen herum, wissen nicht so recht, was mit unserer Zeit anzufangen und fühlen uns unvollständig … Ich weiß, wovon ich rede, habe ich diesen Zustand doch gerade erst vor 14 Tagen, als mein MacBook mich “verlassen” hat, durchlebt. Man gewöhnt sich schließlich daran, dass das Gerät nicht da ist, aber man kommt ohne Probleme wieder ins gewohnte und geliebte Fahrwasser hinein, kaum, dass man sein Gerät wieder vor der Nase hat.

Im klassischen Sinn ist dies wohl kaum als Sucht zu bezeichnen, da sie zumindest im Gegenteil zu Drogen-, Alkohol- bzw. Tabakkonsum keine unmittelbar körperlich schädigenden Auswirkungen hat, aber die geistige Abhängigkeit hat uns voll im Griff … Wer kann sich heute noch vorstellen, dass man Informationen zu bestimmten Themen auch abseits von Wikipedia & Co finden kann? Dass man Auskünfte auch über Telefon bekommen kann? Selbst das Bezahlen von Rechnungen ist dank e-Banking zu einer einfachen Sache geworden, die man sich aus dem täglichen Leben nur mehr ungern wegdenken möchte.

Dieses Abhängigkeitsverhalten dürfte wohl auch der Hintergrund dafür sein, dass die Menschen auch im Urlaub, wo es doch gilt, vom gewohnten Trott Abstand zu nehmen, zunehmend erreichbar sein wollen, um von dem täglichen Informationsfluss und den sozialen “Verbindungen”, die wir uns im Netz geschaffen haben, nicht abgeschnitten zu werden.

Der fragwürdigste Aspekt des Ganzen ist, dass man mittlerweile in den Augen der anderen fast ein wenig als rückständig empfunden wird, wenn man nicht “online” ist … Wer nicht permanent auf Internet, Mails oder anderen dem Social Web zugehörigen Dienste zugreifen kann, gehört nicht dazu, ist nicht informiert, lebt quasi neben den anderen nebenher. Wer bewusst auf bestimmte Aspekte des Online-Lebens verzichtet, gilt heute wohl vor allem in den Augen der Jüngeren als “out” …

So weit, so gut. Oder schlecht? Mir ist durchaus bewusst, dass ich selbst meine Angewohnheiten, weil ich diesen Artikel geschrieben habe, nicht ändern werde. Aber vielleicht hilft es, seine Aktivitäten im Netz etwas bewusster zu hinterfragen …

4 Comments

  1. Sucht wird oft im Kontext mit Abhängigkeit verwendet. Eine Abhängigkeit liegt dann vor, wenn man ein unbändiges Verlangen nach etwas hat, was einem kurzfristig Befriedigung verschafft. Sucht ist kaum durch den Verstand steuerbar und die Wissenschaft nimmt an, dass es ein Sucht-Gen gibt. Wenn man die Internet-Sucht aus diesem Blickwinkel betrachtet, dann handelt es sich um eine reelle Sucht und ist auch wie eine Sucht zu behandeln und als Krankheit einzuordnen. Wann es pathologisch wird, hängt sicherlich von der Stärke der Sucht ab. Ob sie einen am täglichen normalen sozialen Leben hindert oder nicht.

    “Sucht” kommt zwar von “siechen”, aber mir gefällt die Ähnlichkeit zu “suchen” besser. Denn die Frage bei einer Sucht ist immer nach was wir suchen. Finde ich.

  2. Ja, sogesehen bin ich auch süchtig. Am schlimmsten war es, als meine Eltern in Urlaub waren. Sobald ich von der Arbeit kam, erstmal den PC an und eMails, wkw, studiVZ und den Blog nach neuen Nachrichten “abgecheckt”. Und das, obwohl ich im Büro den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitze. Aber wenigstens haben wir da kein Internet, weswegen ich wenigstens nur den Abend damit “verschwende”.

    Aber andererseits muss ich sagen, dass ich so zu manchen Menschen Kontakt halte, die weiter wegwohnen und die ich selten sehe. So bin ich nicht immer aufs Telefonieren angewiesen, was mir nicht so liegt, sondern schreibe zu jeder Tages- und Nachtzeit und mein Gegenüber antwortet dann, wenn er Zeit hat.

    Auch finde ich, dass ich wegen dem Bloggen offener mit meinen Gefühlen umgehe. Ich mache mir mehr Gedanken mich auszudrücken und manches fällt mir so leichter. Also ist meine Sucht wohl auch gleichzeitig eine Therapie.

  3. Ascari says:

    Aber andererseits muss ich sagen, dass ich so zu manchen Menschen Kontakt halte, die weiter wegwohnen und die ich selten sehe. So bin ich nicht immer aufs Telefonieren angewiesen, was mir nicht so liegt, sondern schreibe zu jeder Tages- und Nachtzeit und mein Gegenüber antwortet dann, wenn er Zeit hat.

    @Yuki Zu diesem Satz habe ich unlängst bei futurezone auch einen sehr interessanten Beitrag gelesen: Leben in Informationsruinen.

  4. Während ich den Artikel gelesen habe, habe ich mal bewusst darauf geachtet, was mich alles ablenkt. Und ich muss zugeben, dass die ICQ Mitteilung, dass jemand online gegangen ist, sofort meinen Blick auf sich gezogen hat, obwohl ich gerade am Lesen war…

    Aber für manche persönlichen Kontakte habe ich überhaupt keine Zeit oder die betroffene Person dann nicht, wenn ich Zeit hätte. Das ist teilweise aber durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten so kompliziert geworden.

    Mein Ex arbeitet beispielsweise von mittags bis abends gegen 23 Uhr oder noch länger. Da ist eine andere Kommunikation außer SMS selten möglich, da wir uns zeitlich total “verpassen”. Wenn ich aufstehe, schläft er noch. Wenn ich Mittagspause habe, hat er gerade angefangen zu arbeiten. Und wenn ich Feierabend habe, ist er noch voll im Stress. Wenn er dann Feierabend hat, liege ich im Bett und schlafe…

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